In den letzten Wochen des Wahlkampfes haben sich die politischen Debatten landauf landab eigentlich ausschließlich um das Migrationsthema gedreht. Darum, wer am meisten abschiebt und wer am härtesten durchgreift. Angefeuert wurden diese Debatten von grausamen Einzeltaten, die von Extremisten verübt wurden. Die Tatsache, dass die Täter einen Migrationshintergrund hatten, hat oftmals gereicht, dass ein ganzes Land in Aufruhr war.
Die Taten sind nicht zu entschuldigen. Wenn man sich die Zahl der weiblichen Opfer von Gewalt anschaut, fragt man sich aber schon, wo bei diesem Thema eigentlich der gesellschaftliche Aufschrei bleibt. Alle vier Minuten erlebt eine Frau in Deutschland Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner. Jeden zweiten Tag wird eine Frau von einem Mann aus ihrem Umfeld getötet. In Deutschland und bei uns hier in Freiburg. Die Zahlen sind kein abstraktes Problem, sie stehen für echte Menschen – für Mütter, Töchter, Schwestern und Freundinnen, deren Leben durch Gewalt zerstört wird. Und die Gewalt passiert auch hier vor Ort in Freiburg. Sie passiert unter uns, in unseren Straßen, in unserer Nachbarschaft, in unseren Freundes- und Familienkreisen. Allein im Jahr 2023 wurden in unserer Stadt vier Frauen von ihrem Lebensgefährten oder Ex-Partner getötet.Häuslicher und sexualisierter Gewalt etwas entgegenzusetzen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Was in der Zeitung auch kürzlich erst wieder euphemistisch als Beziehungsdrama erscheint, ist eben keine Privatsache.
Es ist keine Privatsache was hinter der Wohnungstür geschieht, wenn es auf Gewalt, Missbrauch von Macht und Abhängigkeiten und im schlimmsten Fall auf Femizide hinausläuft. Das etwas, was im Angesicht des Grundgesetztes und der Menschenrechte selbstverständlich sein sollte, dass die Würde und Unverletzlichkeit jedes Familienmitgliedes unverletzlich ist, auch in der BRD historisch erkämpfte Gesetzeslage ist, brauche ich Ihnen nicht zu erläutern und wie unser wohl künftiger Bundeskanzler dazu in der Vergangenheit so stand auch nicht. Umso wichtiger ist, dass diese eigentliche Selbstverständlichkeit mit der Istanbul Konvention auch europaweit noch einmal ins Bewusstsein gerufen wurde. Damit solche Erklärungen nicht als Papiertiger und gut gemeinte Bekenntnisse enden, brauchen sie konkrete Umsetzung vor Ort – hier in der Kommune und deshalb ist es heute ein guter Tag wenn wir die nächsten ganz konkreten Schritte hier vor Ort miteinander beschließen. Freiburg hat mit der Einrichtung einer Koordinierungsstelle im Referat für Chancengerechtigkeit und einer Steuerungsgruppe, die aus verschiedenen Akteur*innen der Stadtgesellschaft besteht, bereits einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Über 60 Fachleute, Institutionen und Organisationen haben sich im Rahmen eines einjährigen Beteiligungsprozesses zusammengeschlossen, um Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt und zur Unterstützung der Opfer zu entwickeln. Vielen Dank an alle Akteur*innen die sich beteiligt haben! Wir müssen jetzt sicherstellen, dass diese Maßnahmen nicht nur geplant, sondern auch konsequent umgesetzt werden. Der Aktionsplan, bietet einen klaren Rahmen für die nächsten Schritte. Es geht dabei nicht nur um Beschlüsse, sondern um echte Veränderungen in der Praxis: Schutzkonzepte, die den Opfern von Gewalt echten Halt bieten, eine verstärkte Bildungs- und Bewusstseinsarbeit in unserer Gesellschaft und vor allem auch mehr Angebote zur Täterarbeit. Meine Fraktion hat zusätzlich zu den Punkten, die wir heute beschließen einen haushaltspolitischen Schwerpunkt in diesem Bereich gelegt und die vielen so wichtigen Vereine, wie Wildwasser und Frauenhorizonte nochmal gestärkt. Wir freuen uns, dass sich bei diesen Anträgen schon Mehrheiten abzeichnen.
Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass Frauenhäuser auf private Spenden und ehrenamltiches Engagement angewiesen sind, um überhaupt überleben zu können. Das steht einfach im krassen Widerspruch zu den Verpflichtungen, die uns die Istanbul Konvention auferlegt. Auch hier bräuchten wir von Land und Bund viel mehr finanzielle Unterstützung. Denn der Bedarf an niederschwelligen Hilfsangeboten wächst stetig, und wir müssen sicherstellen, dass auch in den kommenden Jahren genügend Plätze in Schutzeinrichtungen verfügbar sind. Die Täter*innenarbeit muss ausgebaut werden, und die Bewusstseinsarbeit muss weiter intensiviert werden, um mehr Menschen, auch Männer und Jungen, in den Prozess einzubeziehen. Außerdem ist es meiner Fraktion ein Anliegen, künftig auch bewusst Gruppen in den Blick zu nehmen, die bisher nicht im Fokus standen – beispielsweise Frauen mit Behinderungen oder mit Suchtproblemen. In die künftige Schwerpunktsetzung bringen wir uns also gerne ein. Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Vision muss eine „gewaltfreie Stadtgesellschaft“ sein – und diese Vision erfordert unser aller Engagement. Es reicht nicht aus, nur über die Umsetzung der Istanbul-Konvention zu sprechen. Wir müssen sicherstellen, dass jede*r Einzelne in dieser Stadt Verantwortung übernimmt und aktiv gegen Gewalt vorgeht. Lassen Sie uns also dafür Sorge tragen, dass die Istanbul-Konvention nicht nur ein internationales Abkommen bleibt, sondern zu einem realen Teil unseres täglichen Lebens wird. Lassen Sie uns dafür Sorge tragen, dass Femizide keine traurige Randnotiz in der gesellschaftlichen und politischen Debatte bleiben. Lassen Sie uns eine Stadt schaffen, in der jede Frau, jedes Kind, jeder Mensch in Sicherheit leben kann – ohne Angst vor Gewalt.